„Ohne den Verfahrensakt zu kennen oder den Prozess genau mitverfolgt zu haben, bin ich von einem Freispruch ausgegangen“, so die Präsidentin des Vorarlberger Gemeindeverbandes Bgm. Andrea Kaufmann zum überraschenden gestrigen Urteil gegen den Bludenzer Bürgermeister Simon Tschann. Dies insbesondere, da das fragliche Bauverfahren im Vorfeld bereits eingehend von der Aufsichtsbehörde geprüft und auch vom Landesverwaltungsgericht bestätigt wurde.
Generell weist die Gemeindeverbandspräsidentin auf die äußert vielfältigen, komplexen und herausfordernden Aufgaben und Entscheidungen hin, die Bürgermeister:innen tagtäglich zu bewältigen haben. „In den Gemeinden sind diese Aufgaben ohne Experten, die oft auch im Auftrag des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin agieren, gar nicht zu bewältigen“, erläutert Kaufmann.
Gerade in einem Bauverfahren sei Sachverstand aus Bereichen wie Rechtswissenschaft, Architektur, Statik, Stadtplanung etc. erforderlich. Diesen Sachverstand von einer Person zu fordern, die zudem viele anderen Themen zu bearbeiten hat, sprenge die Möglichkeiten des Machbaren.
In diesem Zusammenhang weist die Gemeindeverbandspräsidentin auf eine absehbare bedenkliche Auswirkung des Urteils hin: „In den vergangenen Jahren beklagen viele den überbordenden Bürokratismus. Verfahren sind bereits jetzt oft mit unzähligen Gutachten überfrachtet und sehr teuer. Wenn dieses Urteil rechtskräftig wird, werden sich aus Angst vor Anzeigen zukünftig noch weniger Verfahrensleitende dazu durchringen, selbständig ausgewogene Entscheidungen zu treffen und dadurch mit weiteren Gutachten die Verfahren verlängern und verteuern.“
„Zudem ist in den vergangenen Jahren leider verstärkt bemerkbar, dass strafrechtliche Anzeigen immer mehr zum politischen Werkzeug werden“, bedauert Kaufmann. Die Gemeindeverbandspräsidentin hofft, dass das nicht rechtskräftige Urteil gegen Bürgermeister Tschann keine Signalwirkung zeigt. Bereits jetzt sei es eine immer größere Herausforderung, Personen für das fordernde Bürgermeister:innenamt zu begeistern und zu finden, so Kaufmann abschließend.