Seelensonntag – im Gedenken an alle Opfer von Krieg, Verfolgung und Gewalt
Heute gedenken wir all jenen Menschen, die Sulzberg und Thal in den Kriegen verloren hat. Dieses Totengedenken hat Tradition in der Gemeinde.
Traditionen sind das Bekenntnis zu sich selber, zu der Gemeinschaft, zu der man sich zugehörig fühlt. Traditionen sind wichtig, weil sie einem zeigen woher man kommt. Traditionen zu behalten, heißt aber auch, immer aufzuzeigen wohin man gehen will und warum. Traditionen haben Bestand, wenn sie sich entwickeln können. Die Aufrechterhaltung von Traditionen braucht daher immer wieder aufs Neue, die Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft in einer Gemeinde in der man lebt und wirkt.
Das gilt auch für das heutige Gedenken. Der Seelensonntag soll uns heute an unserer Verantwortung erinnern, dass wir alle wie wir hier versammelt sind, eigentlich einen Friedenssonntag daraus machen müssen. Wir gedenken heute allen Opfern von Krieg, Gewalt und Verfolgung. Unsere Freiheit in Europa wurde mit dem Leben von Millionen Menschen teuer bezahlt. Wir haben heute die Verantwortung, das Miteinander und den Respekt füreinander jeden Tag aufs Neue zu leben.
Die Folgen des Krieges
Vor 107 Jahren begann mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien der Erste Weltkrieg mit 10 Millionen Kriegstoten und etwa 20 Millionen Verwundete. Die Anzahl der zivilen Opfer wird auf weitere 7 Millionen geschätzt. Der Krieg hinterließ dramatische Lücken in unserem Land und erzeugte eine bis dahin noch nicht gekannte soziale Not bei Kriegswitwen und –waisen.
Vor 83 Jahren begann mit dem Überfall auf Polen durch das Deutsche Reich der zweite Weltkrieg. Über 60 Millionen Menschen kostete dieser grausame Krieg das Leben. Die Nationalsozialisten ermordeten während ihrer Herrschaftszeit weitere 10-15 Millionen Menschen. Menschen die mitten unter uns gewohnt haben – Angehörige, Nachbarn, Freunde, Bekannte.
Wenn wir den Opfern gedenken, dann müssen wir allen Opfern von Krieg, aber auch von Verfolgung und Gewalt gedenken. Wir müssen immer auch auf beiden Seiten des Krieges schauen, links und rechts auf allen Frontlinien und daran denken, was für eine Blutspur diese grausame Politik durch Europa gezogen hat.
Wenn wir hier gedenken, dann auch an alle jene, die daheim waren und Opfer bringen mussten. Die unter größten Mühen, mit unvorstellbaren Ängsten und Unwegsamkeit zu kämpfen hatten. Oft waren es Frauen, die daheim das Heft in die Hand nehmen mussten und Haus und Hof im wahrsten Sinn des Wortes am Leben erhalten haben. Sie haben damit auch das Überleben der dörflichen Gemeinschaft gesichert. Eine Front, die nicht auf den Karten der Welt geschrieben steht, aber die tagtäglich einen Überlebenskampf darstellte. Diesen starken Frauen in unserer Gemeinde sind wir immer zu Dank verpflichtet.
Und wir müssen auch an die unzählig verwundeten Seelen denken; an die Männer, die zwar heimgekehrt sind aus dem Krieg, aber ihre Sprache verloren haben; an alle die im Krieg und durch den Krieg Dinge erlebt haben, über die sie nie reden konnten, so ungeheuerlich waren sie.
Allen Toten von Krieg, Gewalt und Verfolgung wurde Zukunft geraubt. Den Zurückgebliebenen daheim wurden die gemeinsamen Jahre des Miteinander alt Werdens genommen. Eine ganze Generation wurde so geprägt und hat diesen Rucksack bis heute noch zu tragen.
Nichts kann für diese Trauer, dieses Leid entschädigen. Ich bitte die Angehörigen und auch die Ehrendelegationen ganz im Sinn des Miteinanders und der Wiedergutmachung das Mitgefühl der Gemeinde anzunehmen und heute Versöhnung zu finden. Wir alle miteinander werden das Andenken an all die Toten und das Leid bewahren.
Krieg, Verfolgung, Gewalt und FLUCHT
Wenn wir heute gedenken, dann müssen wir das auch im Wissen darum tun, dass Krieg, dass Verfolgung und Gewalt immer noch das Leben von Millionen Menschen verspielt – auch heute noch, ganz aktuell: in Afghanistan, in Jemen, in der Ukraine, im Sudan, in Mali, in Syrien, in Libyen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute sind weltweit mindestens 60–65 Millionen Menschen durch Kriege ums Leben gekommen.
Wenn wir heute allen Opfern von Krieg, Verfolgung und Gewalt gedenken, dann müssen wir das im Wissen darum tun, dass Freiheit und Verantwortung untrennbar miteinander verbunden sind. Wir leben heute in einer freien Gesellschaft. In Freiheit leben zu können, braucht ein Minimum an Solidarität und Gemeinschaftssinn. Davon lebt eine gut funktionierende Gesellschaft, das hält eine Gemeinde zusammen. Es ist nicht allein meine Freiheit, die zählt. Wir alle sind in unseren Lebensentscheidungen auch gegenüber der Gemeinschaft in der wir leben, dem Miteinander und Füreinander, verpflichtet.
Wenn wir heute gedenken, dann müssen wir das auch im Wissen darum tun, dass seit 2014 knapp 25.000 Menschen auf der Flucht übers Mittelmeer ums Leben gekommen sind. Das Mittelmehr ist zu einem Massengrab geworden. Weniger bekannt ist, dass dreimal so viele Flüchtlinge schon auf ihrem Weg von Niger durch die Sahara zur libyschen Küste verdursten. Menschen, die sich und ihre Familien vor Krieg, Gewalt, Verfolgung und vor den Auswirkungen des Klimawandels in Sicherheit bringen wollen.
Wie verzweifelt muss man sein, als Vater, als Mutter, als Freund, so eine Flucht zu wagen? Wie viele tausende Österreicher*innen wären ums Leben gekommen, wenn ihnen in den Kriegsjahren nicht die Flucht gelungen wäre und weitaus ärmere Länder wie bspw. Mexiko sie aufgenommen hätte?
Die Aufnahme von Familien mit kranken Kindern und unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen Flüchtlingslagern als humanitäre Notmaßnahme zu ermöglichen, ist das mindeste an Menschlichkeit, das man sich erwarten kann.
Sulzberg hat hier eine Tradition. Ich kann mir nur wünschen, dass die Gemeinde auch weiterhin hier ein Vorbild sein kann und will, wie man Menschen auf der Flucht aufnimmt und sie unterstützt. Danke an alle in der Gemeinde, die das bisher möglich gemacht haben. Das ist ein aktiver Beitrag für Frieden, Freiheit und Menschlichkeit in der Welt. Das ist auch ein Beitrag zur Versöhnung mit unserer Geschichte und unseren Kriegsverbrechen.
Menschlichkeit, Freiheit und Verantwortung
Ich bitte euch heute alle darum, aus der Geschichte zu lernen. Geschichte durch das darüber reden auch am Leben zu erhalten, um sich nie wieder auseinander dividieren zu lassen und mit diesen Erfahrungen die Kraft zu finden, das Gemeinsame immer wieder vor das Trennende zu stellen.
Ich bitte euch jeder ketzerischen und nationalistischen Politik, die mit Lockrufen, Versprechungen und wilden Verschwörungstheorien wie Rattenfänger durch das Land ziehen, mutig entgegenzutreten. Diese Feindbilder, die spalten, dürfen heute keinen Platz in unserer Gemeinde haben.
Ich bitte euch für unsere Gemeinschaft und unser Zusammenleben jeder Form von Menschenfeindlichkeit und Ausgrenzung entschlossen zurückzuweisen.
Hier bei uns fängt der Frieden an. Unser heutiges Gedenken soll uns daran erinnern. Wir alle müssen uns heute im Gedenken an alle Opfer von Krieg, Gewalt und Verfolgung auf unsere Geschichte besinnen und ohne Wenn und Aber für Menschlichkeit, Freiheit und ein verantwortliches Miteinander eintreten.
Jede und jeder von uns muss sich dabei selbst in die Pflicht nehmen, jede und jeder an seinem Platz und mit seinen Möglichkeiten.
Jede Bürgerin und jeder Bürger in unserer Gemeinde kann einen Beitrag leisten, indem wir Demokratie und Mitbestimmung ernst nehmen und mit Freude, mit Mut und mit Engagement auch zum Leben bringen.
Wie erreicht man Bgm. Schrattenthaler?
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Telefonisch unter 05516 2213 Durchwahl 12. Per E-Mail: lukas.schrattenthaler@sulzberg.at. Die Türen in sein Büro und ins Gemeindehaus stehen offen. Wenn das Anliegen Zeit braucht, bitte vorher kurz anrufen und einen Termin machen. |