Proto-Alpinismus: Die Erstbesteigung der Schesaplana

Äußerst früh erfolgte im 18. Jahrhundert die Erstbesteigung der Schesaplana durch Niculin Sererhard. 

Eine der frühesten als solche bezeichnete und dokumentierte „Reise“ ins Montafon fand in den Jahren 1609/10 statt, als der aus Lindau stammende Bludenzer Vogteiverwalter David Pappus eine Grenzbeschreibung der Herrschaft Bludenz, zu der auch das Montafon gehörte, anfertigen ließ. > Auf der Basis umfangreicher Lokalaugenscheine und persönlicher Befragungen wurden darin sowohl der exakte Grenzverlauf dokumentiert, als auch „Ortspässe“, „Rosspfade“ sowie Fußwege in die Nachbarregionen verzeichnet. In seinem Bericht hielt er abschließend fest, dass er mit Gefahr Leibs und Lebens in fünfundzwainzig Tagen [seine Reise] glückhlich vollendet [habe]. Vom 16. bis zum 24. August 1610 hatte er die Montafoner Grenzen gegen Tirol, das Engadin und das Prättigau besichtigt. Auf der Etappe von Gaschurn durch das Garneratal über das Hinterbergerjoch zur Alpe Vergalden halfen einheimische Hirten Pappus und seinen Begleitern, da diese umb Leyb und Leben wegen deß rauhen Gepürgs grausamben Höhe und Wetters in Gefahr gestanden. Angesichts dieser Schilderungen und bei genauer Lektüre des Originaltextes wird deutlich, dass Pappus nicht – wie vielfach in der Literatur angegeben – die Schesaplana und andere Berge erstbestiegen hat.

Die erste dokumentierte Besteigung der Schesaplana erfolgte etwas mehr als ein Jahrhundert später. Triebkraft für diese Unternehmung waren wissenschaftliche Ambitionen. Nicolin Sererhard (1689-1756), der reformierte Pfarrer der Gemeinde Seewis im Prättigau, unternahm um 1730 eine Schaschaplana-Bergreiß und integrierte den Bericht darüber in sein Werk Einfalte Delineation aller Gemeinden gemeiner dreyen Bünden, das er 1742 veröffentlichte. Seine Beschreibung beinhaltet dabei sowohl Ansätze rationaler Erklärungen wie auch Interesse für alles Wunderliche, hinter dem bei ihm häufig das Wirken übernatürlicher Kräfte steht. 

So schreibt er etwa:

„Wir kamen endlich auf den obersten Gipfel des Bergs, da ginge es erst an eine rechte Verwunderung […], dann wir fanden auf diesem Gletscher Stük von Nußschaalen, Roß- und Menschen-Haar, und Hobelschniten, worüber wir unß nicht wenig verwunderten. […] Auf dem obersten Gipfel sachen wir viele mirabilia, finde diesen Gipfel der höchsten einen zu seyn, den man weit und breit finden kann […]. […] Anbey kam auch allhier ein Imme oder Bienlin zu unß geflogen […].“

Vom Gipfel der Schesaplana stieg Sererhard mit seinen Begleitern über die Totalp zum Lünersee ab. Auch über diesen wusste er einige Legenden zu berichten:

„Zuvorderst ob dem Brand-Thal hat er [der See] einen Damm nicht von Felsen, sondern von untereinander gemischten Steinen, Leim und Sand, und macht eine Figur, als wann er mit Menschen Händen gemacht wäre. […] Von diesem See-Damm soll eine Weissagung seyn, er werde einmal ausbrechen und das unden liegende Land bis an den Constanzer See werde davon untergehen. […] Man muthmaset auch, als wann ein Drak in diesem See wohnete, und hat mir der Alp-Hiert gesagt, er habe etliche mal gesehen, daß ein großes Thier sich aus dem See hervorgelassen […].“

18.06.2019