Das erste Schwimmbad im Montafon

Das Schwimmbad in Schruns und erste Baderegeln dazu. 

Zwecks Herstellung geordneter Zustände 

Baderegeln vor hundert Jahren

Es ist der 12. Juli 1912. Schulleiter Johann Wiederin hat zu einer wichtigen Konferenz ins Schrunser Schulhaus, heute Gemeindeamt, geladen. Auf dem Programm steht nur ein Punkt. Anwesend sind die beiden Lehrerinnen, Präzelsa Niebler und Gerlanda Hebeler, beide „Geistliche Schwestern“ aus dem Orden der Barmherzigen Schwestern. Ihr Mutterhaus, der Sitz des Ordens, ist in Zams. Dabei auch Lehrer Gottfried Heinzle. Entschuldigt hat sich der Katechet, Frühmesser Huber.

Das Schuljahr wird zwar erst  am 15. Oktober enden, aber es stehen Ferienwochen bevor. Die vier Lehrpersonen unterrichten in vier Klassen, alle mit Abteilungsunterricht, zweihundertzwölf Kinder vom sechsten bis zum vierzehnten Lebensjahr. Eine gewaltige Aufgabe, wenn man sieht, wie viele Schulkinder in jeder Klasse sitzen. Neunundfünfzig hat Lehrer Heinzle in seiner ersten Klasse, gar achtundsechzig muss Schwester Präzelsa in der zweiten unterrichten. Die dritte Klasse, die Oberstufe, ist geteilt. Schulleiter Wiederin hat die Verantwortung für siebenunddreißig Knaben, Schwester Gerlanda sind achtundvierzig Mädchen anvertraut.

Kein Wunder, dass es in diesen Konferenzen immer wieder um Verhaltensregeln geht, um gestrenge Disziplinar-Maßnahmen, wenn sie nicht eingehalten werden. Von den Lehrpersonen wird erwartet, dass sie für Zucht und Ordnung ihrer Schülerinnen und Schüler in der Öffentlichkeit sorgen, auch außerhalb der Schulzeiten. Und in diesem Sommer 1912 machen sie sich Sorgen. Im „Tobel“ gibt es eine neue „Badeanstalt“ in freier Natur. Die dient zwar der körperlichen Ertüchtigung und Gesundheit, Gefahr droht der seelisch-sittlichen Befindlichkeit. Es braucht also wieder einmal ganz klare Regeln und Vorschriften. Die werden einstimmig beschlossen und im Konferenzprotokoll festgeschrieben:

Zwecks Herstellung geordneter Zustände unter der Schuljugend während des Aufenthaltes in der Badeanstalt wurden folgende Beschlüsse gefasst:

1. Die Verwaltung der Badeanstalt wolle künftighin den Schulkindern den Aufenthalt im Schwimmbad auf eine ½ Stunde beschränken, damit denselben weniger Gelegenheit geboten ist, dort Unfug treiben zu können.

2. Solche Kinder, welche den Anordnungen des Bademeisters sich nicht fügen, trotz wiederholter Ermahnung, werden für die Dauer der Saison vom Zutritt zur Badeanstalt ausgeschlossen.

3. Der Bademeister ist zu verhalten, jene Kinder, die sich in der Badeanstalt nicht in gebührender Weise aufführen, zu notieren und von Zeit zu Zeit der Schulleitung Anzeige zu erstatten.

Um die Durchführung dieser Beschlüsse zu ermöglichen, hat sich die Schulleitung mit der Verwaltung der Badeanstalt ins Einvernehmen zu setzen.

4. Außerdem haben die Lehrpersonen den Schulkindern strenge aufzutragen:

a) Daß die Knaben die Badeanstalt nicht früher betreten dürfen, bis sämtliche Frauen und Mädchen dieselbe verlassen haben (dasselbe gilt umgekehrt für die Mädchen).

b) Daß in den Kabinen das Umkleiden rasch geschehen muß und ein längeres Verweilen daselbst durchaus nicht statthaft ist.

c) Daß jedes unartige Benehmen im Badeanzug außerhalb des Wassers, das Klettern über die Wände und dergleichen mehr strenge untersagt ist.

d) Daß es endlich Schulkindern durchaus verboten ist, sich außerhalb der Badezeit – überhaupt immer, wenn der Bademeister nicht anwesend ist – im Schwimmbad aufzuhalten. (Die Kinder dürfen weder den Schlüssel holen, noch über die Wände klettern.)

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Autor: Franz Rüdisser
Veröffentlicht unter: Franz Rüdisser, Zwecks Herstellung geordneter Zustände, in: Michael Kasper (Hg.), Jahresbericht 2012. Montafoner Museen, Heimatschutzverein Montafon, Montafon Archiv, Schruns 2013, S. 96.

19.08.2019